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Wenn Mitarbeiter ihre Meinung sagen

 

Sie kennen vielleicht Mitarbeiter, die ständig nörgeln, was in ihrer Firma schief läuft, was endlich anders sein müsste, warum dies und jenes nicht ginge, ...

Dazu eine kurze Geschichte:

Einige Jäger charterten ein Flugzeug, das sie in ein Waldgebiet bringen sollte. Nach zwei Wochen kam der Pilot, um sie wieder abzuholen. Er warf einen Blick auf die erlegten Tiere und sagte: „Diese Maschine kann nicht mehr als einen Büffel transportieren. Die anderen müssen Sie zurücklassen.“
„Aber im letzten Jahr erlaubte uns der Pilot, zwei Tiere in einer Maschine dieser Größe mitzunehmen“, protestierten die Jäger.
Der Pilot war skeptisch, sagte aber schließlich: „Wenn Sie es voriges Jahr so gemacht haben, können wir es vermutlich wieder tun.“
Also hob die Maschine mit den drei Männern und zwei Büffeln an Bord ab. Doch sie konnte keine Höhe gewinnen und machte mitten in der Einöde eine Bruchlandung. Die Männer, von denen keiner ernsthaft verletzt war, kletterten heraus und blickten sich um. Ein Jäger fragte: „Wo sind wir?“. Ein anderer Jäger sah sich prüfend um und erwiderte:
„Ich glaube, wir befinden uns ungefähr zwei Meilen links von der Stelle, an der wir im letzten Jahr abgestürzt sind.“


(Anthony de Mello aus „Warum der Schäfer jedes Wetter liebt“, S.37)



Es ist für mich als Trainer und Prozessbegleiter immer wieder faszinierend, in Unternehmen Ähnliches anzutreffen. Manager wiederholen die eigenen Fehler, anstatt daraus zu lernen. Sie lernen auch selten aus den Fehlern anderer Unternehmen. Da kann man als Außenstehender hundert Mal sagen: „Das ist in Firma XY schon schiefgegangen“ ... sie glauben es nicht (nach dem Motto: „Bei uns ist das alles ja ganz anders“).
Wenn es ganz dick kommt, holt man schließlich einen Sanierer, der häufig Dinge umsetzt, die die eigenen Mitarbeiter seit Jahren schon vorschlagen oder sogar fordern.

Führungskräfte sind Menschen, und als solche nicht unfehlbar und nicht allwissend. Ihre Mitarbeiter könnten ein gutes Korrektiv für falsche oder gefährliche Entscheidungen sein – wenn man sie fragt bzw. sie anhört, wenn sie von sich aus etwas sagen. Ihre Mitarbeiter haben oft ein untrügliches Gespür für Engpässe, aber auch kreative, innovative, sinnvolle Ideen über Vereinfachung von Abläufen, neue Produkte und Dienstleistungen – wenn man sie fragt bzw. hört.
Oft fragen Führungskräfte eben nicht, hören nicht zu, speisen den Mitarbeiter mit einer Killerphrase („Dazu haben wir jetzt keine Zeit“) oder mildem Lächeln ab („Dazu müssten Sie schon die größeren Zusammenhänge kennen“). Mitarbeiter reagieren recht unterschiedlich wenn ihnen das immer wieder passiert, z.B.:

Typ A: Er sagt: „Ok, Chef“ – und tut, was man ihm aufträgt. Oft ohne wirkliches Engagement, manchmal mit dem Hintergedanken „Ich mach´s genau so, wie er es mir aufgetragen hat. Wenn´s schief geht, wird er schon sehen, was er davon hat.“ Ansonsten schweigt er.
Typ B: Beim Kaffee, beim Rauchen am Gang, beim Mittagessen wird geschimpft, geätzt, alles und jedes madig gemacht, was in dieser Firma läuft (d.h. die negativ-pessimistische Brille aufgesetzt und nur problemorientiert denken: „Ist es nicht fürchterlich, ...“). Das alles natürlich hinter dem Rücken der Führungskraft.
Typ C: Er spricht Missstände, mögliche Fehlentwicklungen, Ängste etc. an und bringt Alternativvorschläge und innovative Ideen.

Interessant ist, dass in vielen Mitarbeitern der Typ C steckt. Wenn man sie aber nicht hört oder ernst nimmt, mutieren sie je nacht Charakter zu Typ A oder Typ B – oder kündigen.

Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter nicht unterschätzen, was unternehmerisches Denken anbelangt. Natürlich: Manche Mitarbeiter können es nicht und wollen es nicht („Ich mach´ einfach meinen Job“), aber viele haben Überblick und Weitblick sowie einen klaren Hausverstand (oft wesentlich hilfreicher als MBA-Theorien). Diese gilt es zu finden, und ihnen zuzuhören oder sie zu aktivieren, wenn sie durch frühere Frustrationen verstummt sind.

Allerdings ist es riskant. Sie werden wahrscheinlich auch Dinge hören, die Ihnen nicht immer gefallen mögen, aber genau hier liegt oft der Knackpunkt für Entwicklung.